1° Der EmpfängerObwohl Titus einer der Jünger und engen Vertrauten des heiligen Paulus war, wird sein Name in den Schriften des großen Apostels nur selten und in der Apostelgeschichte gar nicht erwähnt. Versuche, ihn mit Titus (oder Titius) Justus gleichzusetzen, Apostelgeschichte 18, 7 sind wertlos. Dieser Name ist lateinisch, sagt aber an sich nichts über Titus' Heimat aus, die nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann. Sie wurde mal auf Kreta, mal in Korinth oder anderswo verortet. Er war von Geburt Heide (Galater 2, 3), und er wurde wahrscheinlich von Paulus selbst bekehrt. Zweifellos ist es aus diesem Grund, dass der Apostel ihn seinen „geliebten Sohn“ nennt (vgl. Titus 1,4). Er war bei Antioch von Syrien Vierzehn Jahre nach der Bekehrung des Apostels zu den Heiden, zur Zeit der Wirren durch die Judaisierer, nahm ihn sein Meister mit nach Jerusalem, zur Zeit des berühmten Konzils, um das Jahr 51 v. Chr. (vgl. 177). Galater 2, 1), und da er nicht beschnitten war, forderten viele, dass er sich diesem Ritus unterziehe, dessen Notwendigkeit von den falschen Lehrern verkündet wurde; aber Paulus weigerte sich entschieden (Galater 2, 3 und folgende).
Titus wird etwa zur Zeit der Abfassung der beiden Briefe an die Korinther erwähnt, also um das Jahr 54 n. Chr. Paulus sandte ihn dreimal nacheinander nach Korinth: zunächst, um die Sammlung für die Armen Jerusalems zu organisieren (vgl. 2 Kor 8,6; 12,18); dann, um die Wirkung seines ersten Briefes nach den beunruhigenden Ereignissen, die die Gemeinde in Korinth heimgesucht hatten, zu beurteilen (2 Kor 2,12–13; 7,6–7.13–15); und schließlich, zusammen mit zwei anderen Jüngern, um die begonnene Sammlung abzuschließen (vgl. 2 Kor 8,16–23). Weitere biblische Details zu Titus finden sich in dem nach ihm benannten Brief. Dies deutet darauf hin, dass Paulus nach seiner ersten Haft in Rom mit diesem Jünger nach Kreta reiste und ihn dort – wie zuvor Timotheus in Ephesus – mit der vollen Vollmacht ausstattete, die Organisation der Gemeinden in der Region abzuschließen (siehe Titus 1,5). Am Ende des Briefes (3,12) teilt ihm sein Meister mit, dass er ihn nach Nikopolis in Epirus rufen werde. Möglicherweise übertrug Paulus ihm in dieser Stadt eine besondere Mission für Dalmatien (2 Timotheus 4,10). Laut antiken Kirchenschriftstellern (siehe Apostolische Konstitutionen 7,46; Eusebius, Kirchengeschichte 3,4,6) lebte er bis ins hohe Alter auf Kreta und übte dort weiterhin sein Bischofsamt aus.
2° Die Chance und das ZielEs scheint nicht so, als wären Paulus und Titus die ersten gewesen, die das Evangelium auf Kreta verkündeten. Die Passagen in Titus 1,6–11 und 2,1–10 belegen, dass es zur Zeit der Abfassung des Briefes dort bereits zahlreiche christliche Gemeinden gab, die sich aus Gläubigen aller Gesellschaftsschichten zusammensetzten und teilweise organisiert waren. Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, dass die beiden Missionare während des kurzen Aufenthalts des Paulus auf der Insel die Zeit gehabt hätten, solch bedeutende Ergebnisse zu erzielen. Zumindest vollendeten sie das Werk anderer, indem sie von Stadt zu Stadt reisten und die Botschaften des Evangeliums bestätigten. Christen im Glauben (vgl. 1,12). Da Paulus bald wieder aufbrechen musste, um die von ihm in Kleinasien, Mazedonien und Griechenland gegründeten Gemeinden zu besuchen, ließ er seinen Schüler auf Kreta zurück, um die Organisation der jungen christlichen Gemeinden abzuschließen und sie zu korrigieren. Missbrauch Er hatte Titus zwar vor seiner Abreise die von ihm für notwendig erachteten Ratschläge mündlich oder schriftlich gegeben; doch einige Zeit später hielt er es für angebracht, diese aufgrund der besonderen Schwierigkeiten bei der Verwaltung der kretischen Gemeinden zu wiederholen. Diese Schwierigkeiten rührten entweder vom lasterhaften Charakter der Einwohner her (vgl. 1,12) oder von der großen Anzahl der auf der Insel lebenden Juden (siehe 1,10 und Josephus). Jüdischer Krieg, 2, 7, 1), das heißt, falsche Ärzte, die dort wie auch in anderen Regionen ihre verderbliche Lehre verbreiten.
Es gibt keine Hinweise darauf, dass dieser Brief eine Antwort auf eine Nachricht ist, die Titus möglicherweise an seinen Meister bezüglich seines Dienstes auf der Insel gerichtet hatte. Wahrscheinlicher ist, dass der Apostel die Gelegenheit nutzte, die seine beiden Jünger Zenas und Apollos zu jener Zeit unternahmen und die sie zunächst nach Kreta führen sollte (siehe 3,13).
3° Die Ähnlichkeit des Briefes an Titus mit dem ersten Brief an Timotheus Das ist sehr auffällig. Es sollte uns nicht überraschen, da die beiden Briefe etwa zur gleichen Zeit, zu fast identischen Anlässen und mit fast identischen Zielen verfasst wurden. Die allgemeine Struktur beider Texte ist praktisch gleich. Die Warnungen vor Irrlehrern bilden eine Art Rahmen, in den die Regeln für Geistliche und die besonderen Pflichten der verschiedenen Gläubigengruppen eingeführt werden. Auch findet sich auf beiden Seiten in jedem Abschnitt zur Moral eine dogmatische Aussage, die diesen gewissermaßen besiegelt (vgl. Titus 1,15; 2,11–14; 3,4–7; und vergleiche 1 Timotheus 2,4–6; 3,16; 4,10; 6,13–16).
Doch es steckt noch mehr dahinter, denn es gibt eine Reihe wörtlicher Ähnlichkeiten zwischen den beiden Texten. Hier einige Beispiele:
Titus 1,1-4 = 1 Timotheus 1,1-2.
Titus 1,5-9 = 1 Timotheus 3,1-7
Titus 1,11 = 1 Timotheus 3,9 (vgl. 2 Tim 3,6)
Titus 2,1-6 = 1 Timotheus 5,1-2
Titus 2,7 = 1 Timotheus 4,12
Titus 2,9-10 = 1 Timotheus 6,1
Titus 2,14 = 1 Timotheus 2,6
Titus 2,15 = 1 Timotheus 4,12; 5,20; 6,2
Titus 3:9 = 1 Timotheus 4:7, 6, 11.
Überall finden sich jedoch originelle Nuancen. Insgesamt ist der Brief an Titus kürzer, weniger persönlich und weniger vertraulich. Die Persönlichkeit des Verfassers oder des Empfängers tritt weniger deutlich hervor.
4° Das Thema und die Abteilung. Wie bereits erwähnt, besteht der Brief an Titus ausschließlich aus wichtigen Anweisungen des Paulus an Titus, in denen er ihm den Weg aufzeigt, den er als apostolischer Gesandter auf Kreta beschreiten soll. Nach einer Einleitung (1,1–4) mit der üblichen Grußformel folgt der Hauptteil des Briefes (1,5–3,11), der aus zwei Teilen besteht: 1. Paulus erinnert Titus daran, dass er zunächst hervorragende Evangelisten auf Kreta einsetzen muss (1,5–16). 2. Er gibt ihm weise Richtlinien für seine Predigt und seinen Umgang mit den verschiedenen Gruppen von Christen (2,1–3,11). Der Brief schließt mit einer kurzen Zusammenfassung (2,12–15), die der Einleitung entspricht.
Titus 1
1 Paulus, ein Diener Gottes und Apostel Jesu Christi, um den Auserwählten Gottes den Glauben zu verkünden und die Wahrheit bekannt zu machen, die zur Gottesfurcht führt. 2 und gibt die Hoffnung auf das ewige Leben, das von dem Gott, der nicht lügt, von frühester Zeit an verheißen wurde. 3 und der sein Wort zu seiner Zeit durch die Predigt kundgetan hat, die mir gemäß dem Gebot Gottes, unseres Retters, anvertraut wurde, 4 Titus, meinem wahren Kind im Glauben, den wir teilen, Gnade und Friede von Gott dem Vater und Christus Jesus, unserem Retter. 5 Ich habe dich auf Kreta zurückgelassen, damit du alles organisieren und gemäß meinen Anweisungen in jeder Stadt Älteste einsetzen kannst. 6 Der Betreffende muss von tadellosem Ruf sein, nur mit einer Ehefrau verheiratet sein und dessen Kinder treu sein und nicht als liederlich oder ungehorsam gelten. 7 Denn der Bischof muss als Verwalter des Hauses Gottes über jeden Zweifel erhaben sein; er darf nicht arrogant, jähzornig, trunksüchtig, gewalttätig oder gierig nach unredlichem Gewinn sein., 8 sondern dass er gastfreundlich, eifrig für das Gute, umsichtig, gerecht, heilig und Herr seiner Leidenschaften sei., 9 Er hielt fest an der Lehre fest, die ihm beigebracht worden war, um gemäß der gesunden Lehre ermahnen und diejenigen widerlegen zu können, die ihr widersprechen. 10 Denn es gibt viele Unbotmäßige, besonders unter den Beschnittenen, die eitle Schwätzer sind und Seelen verführen. 11 Wir müssen denen den Mund verschließen, die ganze Familien zerstören und die aus niederträchtigen Interessen das lehren, was nicht gelehrt werden sollte. 12 Einer ihrer Landsleute, ein Prophet aus ihren eigenen Reihen, sagte: «Die Kreter sind immer Lügner, böse Bestien, faule Vielfraße.» 13 Dieses Zeugnis ist wahr. Darum weise sie streng zurecht, damit sie im Glauben gesund seien. 14 und dass sie weder jüdischen Fabeln noch den Lehren von Leuten Gehör schenken, die sich von der Wahrheit abwenden. 15 Für die Reinen ist alles rein; für die Unreinen und Ungläubigen aber ist nichts rein, im Gegenteil, ihr Sinn und ihr Gewissen sind unrein. 16 Sie geben vor, Gott zu kennen, doch durch ihre Taten verleugnen sie ihn; sie sind abscheulich, rebellisch und zu keinem guten Werk fähig.
Titus 2
1 Du aber rede gemäß der gesunden Lehre. 2 Sagt den Älteren, sie sollen besonnen, ernsthaft, umsichtig und gläubig sein. Wohltätigkeit, In Geduld. 3 Ebenso sollten ältere Frauen in ihrer Kleidung heilige Bescheidenheit zeigen, nicht tratschsüchtig oder dem übermäßigen Weinkonsum verfallen sein, sondern weise Ratgeberinnen sein., 4 fähig, jungen Frauen beizubringen, ihre Ehemänner und Kinder zu lieben, 5 Sie sollen keusch bleiben, sich um den Haushalt kümmern, tugendhaft und einander untertan sein, damit das Wort Gottes keinem Anstoß erregen kann. 6 Ebenso sollten die jungen Männer zur Weisheit ermahnt werden., 7 Erweisen Sie sich in jeder Hinsicht als Vorbild guter Werke, indem Sie Reinheit und Ernsthaftigkeit in Ihre Lehre einbringen., 8 Eine gesunde und untadelige Rede, um unsere Gegner zu verwirren, die keine Schwierigkeiten haben werden, über uns zu sagen. 9 Den Sklaven rät er, ihren Herren untertan zu sein, ihnen in allem zu gefallen und ihnen nicht zu widersprechen., 10 Sich von nichts abzuwenden, sondern stets vollkommen treu zu sein, um in allem die Lehre Gottes, unseres Retters, zu ehren. 11 Denn die Gnade Gottes ist erschienen, die allen Menschen Heil bringt., 12 Sie lehrt uns, der Gottlosigkeit und den weltlichen Begierden zu entsagen und in der heutigen Zeit mit Mäßigung, Gerechtigkeit und Gottesfurcht zu leben., 13 in Erwartung der seligen Hoffnung und des glorreichen Erscheinens unseres großen Gottes und Erlösers 14 Jesus Christus, der sich selbst für uns hingegeben hat, um uns von aller Ungerechtigkeit zu erlösen und sich ein Volk zu reinigen, das sein Eigentum ist und eifrig gute Werke tut. 15 Das ist es, was du predigen, empfehlen und mit voller Autorität verkünden musst. Lass dich von niemandem verachten.
Titus 3
1 Erinnert die Gläubigen an ihre Pflicht, sich den Obrigkeiten und Autoritäten unterzuordnen, ihnen zu gehorchen und für jedes gute Werk bereit zu sein., 2 Über niemanden schlecht zu reden, Streitigkeiten zu vermeiden, sondern freundlich zu sein und allen Menschen größte Sanftmut entgegenzubringen. 3 Denn auch wir waren einst töricht, ungehorsam, irregeführt, Sklaven aller Art von Lüsten und Vergnügungen, lebten in Bosheit und Neid, waren verhasst und hassten einander. 4 Doch als Gott, unser Erlöser, seine Güte und Liebe zur Menschheit offenbarte, 5 Er hat uns gerettet, nicht aufgrund unserer gerechten Taten, sondern aus Barmherzigkeit durch das Bad der Wiedergeburt und Erneuerung im Heiligen Geist. 6 die er durch Jesus Christus, unseren Retter, reichlich über uns ausgegossen hat. 7 damit wir, durch seine Gnade gerechtfertigt, gemäß unserer Hoffnung Erben des ewigen Lebens werden. 8 Dies ist ein verlässliches Wort, und ich wünsche mir, dass ihr dies bekräftigt, damit alle, die an Gott glauben, danach streben, im Tun guter Werke voranzugehen. Das ist gut und heilsam für die Menschheit. 9 Was törichte Fragen, Stammbäume, Streitereien und Auseinandersetzungen über das Gesetz betrifft, so meidet sie, denn sie sind nutzlos und eitel. 10 Wer Zwietracht sät, den sollst du nach einer ersten und einer zweiten Warnung aus deiner Gegenwart entfernen., 11 in dem Wissen, dass ein solcher Mensch völlig verdorben und ein Sünder ist, der von seinem eigenen Urteil verdammt wird. 12 Sobald ich Artemas oder Tychicus zu euch geschickt habe, eilt nach Nikopolis, um mich dort zu treffen, denn ich habe beschlossen, den Winter dort zu verbringen. 13 Sorgt sorgfältig für die Reise des Gesetzeslehrers Zenas und des Apollos, damit es ihnen an nichts mangelt. 14 Darüber hinaus sollen unsere Leute auch lernen, gute Werke zu tun, um für dringende Bedürfnisse zu sorgen, damit sie nicht ohne Frucht bleiben. 15 Alle, die mit mir sind, grüßen euch; grüßt die, die uns im Glauben lieben. Die Gnade sei mit euch allen. Amen.
Anmerkungen zum Brief an Titus
1.5 Auf Kreta. Sehen Apostelgeschichte, 27, 7.
1.6 Sehen 1 Timotheus, 3, 2.
1.9 Zur Lehre die Wahrheit, die ihr beigebracht wurde.
1.10 Unter den Beschnittenen Juden, die Christen wurden.
1.12 Die Heiden verliehen ihren Dichtern den Titel „Prophet“. Der heilige Paulus spricht hier von Epimenides. – Epimenides wurde auf Kreta, in Knossos oder Gortyn (6. Jahrhundert v. Chr.), geboren. Platon nennt ihn einen göttlichen Mann. Er soll Priester, Dichter und Seher gewesen sein, um 596 v. Chr. Athen besucht und kurz darauf im Alter von über 150 Jahren gestorben sein. Kallimachos wiederholte Epimenides’ Verse in seinem Hymnus an Jupiter, und die Alten behaupten, die Kreter hätten den Vorwurf, den ihr Landsmann Epimenides gegen sie erhob, mehr als verdient. So wie ein Leben wie ein Korinther ein sexuell ausschweifendes Leben bedeutete, bedeutete ein Verhalten wie ein Kreter Lügen und Betrügen: Pierre Dornier, pss.
1.15 Siehe Römer 14,20. – Paulus meint nicht, dass alle Werke von Christen rein oder gut und alle Werke von Ungläubigen unrein oder böse seien; vielmehr verurteilt er die Lehre einiger Judaisierer, von denen manche behaupteten, bestimmte Speisen seien von Natur aus unrein; andere, dass es Fleischsorten gäbe, die Christen Sie durften nicht davon essen, nicht weil sie an sich unrein waren, sondern weil sie es seit dem mosaischen Gesetz geworden waren, das ihnen das Essen verbot.
2.8 Unsere Gegner. Sehen. 1 Timotheus, 5, 14.
2.9 Siehe Epheser 6,5; Kolosser 3,22; 1 Petrus 2,18.
2.11 Siehe Titus, 3, 4.
3.4 Siehe Titus 2,11.
3.5 Siehe 2 Timotheus 1,9.
3.9 Siehe 1 Timotheus 1,4; 4,7; 2 Timotheus 2,23.
3.12 Artemas ist unbekannt. Tychikus. Sehen Apostelgeschichte, 20, 4. ― In Nikopolis. Es gab drei Nikopolisen: eine in Kilikien, eine zweite in Thrakien am Fluss Nestos und eine dritte in Epirus. Es ist schwer zu sagen, welche hier gemeint ist, doch spricht vieles dafür, dass die letzte, die bedeutendste der drei, gemeint ist. Sie war von Augustus nach der Schlacht bei Actium erbaut worden.
3.13 Zenas, jüdischer Konvertit. ― Apollo. Sehen 1. Korinther, 1, 12.


