Durch den Glauben an Jesus werden zwei Blinde geheilt. (Mt 9,27-31)

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Evangelium nach Matthäus

Zu jener Zeit ging Jesus umher; zwei Blinde folgten ihm und riefen: «Sohn Davids, erbarme dich unser!» Als er ins Haus ging, traten die Blinden zu ihm, und Jesus fragte sie: «Glaubt ihr, dass ich das tun kann?» Sie antworteten: «Ja, Herr.» Da berührte er ihre Augen und sprach: «Euch geschehe nach eurem Glauben.» Ihre Augen wurden geöffnet, und Jesus gebot ihnen eindringlich: «Seht zu, dass niemand davon erfährt!» Doch sie gingen hinaus und erzählten in der ganzen Gegend von ihm.

Die Augen des Glaubens öffnen: Wenn der Glaube der Heilung vorausgeht

Wie die Begegnung zweier Blinder mit Jesus den Weg zu einer veränderten Sicht auf Gott, auf sich selbst und auf die Welt offenbart.

Zwei Männer schreien auf der Straße und jagen einen umherziehenden Rabbi, den sie nicht sehen können. Ihre körperliche Blindheit verbirgt eine erstaunliche spirituelle Klarheit: Sie erkennen Jesus als den Messias, noch bevor er geheilt wird. Diese Passage aus Matthäus 9 stellt unsere Gewissheiten über Glauben, Gebet und Verwandlung infrage. Sie lädt uns ein, unsere eigene Blindheit zu hinterfragen und zu entdecken, dass wahre Erkenntnis immer mit einem Akt des Vertrauens beginnt, der dem Offensichtlichen vorausgeht.

Dieser Artikel untersucht die paradoxe Dynamik des Glaubens, der voraussieht, bevor er erkennt. Wir werden entdecken, wie uns diese blinden Männer die Beharrlichkeit im Gebet, die Bedeutung des öffentlichen Bekenntnisses und den Mut zum Glauben gegen alle Widerstände lehren. Wir werden auch sehen, warum Jesus um Stillschweigen bittet und wie diese Spannung zwischen Verkündigung und Diskretion unser eigenes Zeugnis heute erhellt.

Die Hintergründe einer entscheidenden Begegnung

Dieser Bericht erscheint in einer Reihe von Wundern, die Jesu Wirken in Galiläa laut Matthäus dokumentieren. Nachdem er die Tochter des Jairus von den Toten auferweckt und die blutende Frau geheilt hatte, stellt der Evangelist diese doppelte Heilung der Blinden als fortschreitenden Beweis für Christi messianische Autorität dar. Der historische und literarische Kontext offenbart mehrere wesentliche Aspekte.

Matthäus gliedert sein Evangelium in fünf Hauptabschnitte, die die Lehren Jesu veranschaulichen. In Kapitel 9 verfestigt sich der Widerstand der religiösen Autoritäten, während die Menschen die Taten des Nazareners bestaunen. Die Heilung des Blinden geschieht kurz vor der Berufung der zwölf Apostel und ihrer Aussendung und bildet so eine Brücke zwischen dem persönlichen Erscheinen des Messias und der Weiterführung seines Wirkens durch seine Jünger.

Im kulturellen Umfeld Palästinas des ersten Jahrhunderts wurde Blindheit eine besondere Bedeutung beigemessen. Blinde bildeten eine marginalisierte soziale Gruppe, waren oft zum Betteln gezwungen und galten nach einigen strengen Auslegungen der Tora als Träger eines göttlichen Fluches. Diese theologische Auffassung von Blindheit als Strafe für Sünde durchdrang die Mentalität, obwohl die Texte des Alten Testaments eine differenziertere Perspektive boten.

Die Verwendung des Titels «Sohn Davids» offenbart ein bemerkenswertes messianisches Bewusstsein unter diesen Bettlern. In der jüdischen Tradition bezeichnete dieser Titel den erwarteten Messias, den davidischen König, der Israel wiederherstellen sollte. Indem sie ihn verwendeten, demonstrierten die Blinden ein theologisches Verständnis, das selbst Jesu Jünger erst nach und nach vollständig erfassten. Sie erkannten in diesem wandernden Rabbi die Erfüllung uralter Verheißungen, denjenigen, der Befreiung und Heilung bringen sollte.

Der geografische Schauplatz bleibt in dieser Passage bewusst vage. Matthäus nennt nicht die Stadt, in der die Szene spielt, und lenkt unsere Aufmerksamkeit so auf die zwischenmenschlichen Beziehungen statt auf topografische Details. Diese Unbestimmtheit verleiht der Erzählung Universalität: Sie kann überall dort stattfinden, wo leidende Menschen entschlossen nach Jesus suchen. Das erwähnte «Haus» wird somit zu einem symbolischen Raum, einem Ort der Intimität, wo fernab vom Lärm der Menschenmassen eine wahre Begegnung mit Christus möglich ist.

Die Erzählstruktur des Glaubens in Aktion

Die Erzählung entfaltet sich in einer dramatischen, vierteiligen Abfolge, die göttliche Pädagogik offenbart. Diese Erzählstruktur ist kein Zufall, sondern vermittelt auf inhärente Weise eine Lehre über das Wesen des Glaubens und der spirituellen Heilung.

Zunächst die beharrliche Nachfolge. Zwei Blinde folgen Jesus und rufen. Das griechische Verb für «folgen» ist dasselbe, das auch an anderer Stelle Jüngerschaft bezeichnet. Matthäus deutet damit an, dass diese Männer in ihrer Behinderung bereits einen radikalen Akt des Glaubens vollbringen, indem sie jemandem folgen, den sie nicht sehen können. Ihr wiederholter Ruf «Sei uns gnädig, Sohn Davids!» strukturiert ihre Bitte nach einer liturgischen Formel, die an die Klagelieder der Psalmen erinnert. Sie bitten nicht ausdrücklich um Heilung, sondern rufen … Barmherzigkeit göttlich, wodurch ihre totale Abhängigkeit implizit anerkannt wird.

Der zweite Teil: Der Eintritt ins Haus und Jesu Frage. Christus reagiert nicht sofort auf die Rufe der Blinden auf der Straße. Diese scheinbare Verzögerung ist keine Gleichgültigkeit, sondern ein erzieherisches Vorgehen. Sie ermöglicht es den beiden Männern, ihre Beharrlichkeit und ihren tiefen Wunsch zu beweisen. Im Haus angekommen, stellt Jesus eine beunruhigende Frage: «Glaubt ihr, dass ich das tun kann?» Diese Frage zielt nicht darauf ab, Informationen zu erhalten, die Jesus vielleicht nicht kennt, sondern ein klares Glaubensbekenntnis zu erlangen. Der Herr erwartet stets eine persönliche Antwort, eine Herzensangelegenheit, die über die bloße Hoffnung auf materiellen Nutzen hinausgeht.

Dritte Phase: Bekenntnis und heilende Geste. Die Antwort der Blinden ist kurz, aber entschieden: «Ja, Herr.» Dieser doppelte Titel «Herr» verleiht der messianischen Anerkennung («Sohn Davids») eine Dimension göttlicher Autorität. Jesus berührt daraufhin ihre Augen und spricht dabei die Worte: «Euch geschehe nach eurem Glauben.» Diese Formulierung offenbart das zentrale theologische Prinzip der Passage. Glaube ist keine magische Kraft, die Gott zwingt, sondern der Raum des Vertrauens, der göttliche Macht wirken lässt. Das Wunder verwirklicht eine Möglichkeit, die der Glaube im geistlichen Bereich bereits Wirklichkeit werden ließ.

Vierter Moment: das Gebot des Schweigens und dessen Übertretung. Jesus gebietet den Geheilten eindringlich, mit niemandem zu sprechen. Dieses Gebot, typisch für das «messianische Geheimnis» bei Matthäus, erzeugt eine dramatische Spannung. Die beiden Männer widersetzen sich sofort und erzählen in der ganzen Gegend von Jesus. Dieser paradoxe Ungehorsam wirft die Frage nach authentischem Zeugnis auf: Wie kann man schweigen, wenn man durch die Begegnung mit Christus verwandelt wurde? Doch der Text stellt ihre Verkündigung nicht als Vorbild dar, dem man folgen sollte, sondern deutet auf eine gewisse Unklarheit hinsichtlich der angemessenen Formen des Zeugnisses hin.

Durch den Glauben an Jesus werden zwei Blinde geheilt. (Mt 9,27-31)

Das Paradoxon des Glaubens, der sieht, bevor er sieht

Die erste wichtige theologische Dimension dieser Passage liegt in der Umkehrung des Verhältnisses zwischen physischer und spiritueller Wahrnehmung. Blinde sehen spirituell, bevor sie physisch sehen, während so viele Gestalten in den Evangelien Jesus mit ihren Augen sehen, ohne ihn wirklich zu erkennen.

Diese Umkehrung zeigt, dass körperliche Blindheit aus der Perspektive des Evangeliums niemals ein absolutes Hindernis für die Gotteserkenntnis darstellt. Im Gegenteil, sie kann Quelle besonderer Klarheit werden. Da ihnen das gewöhnliche Sehvermögen fehlt, entwickeln diese Männer eine innere Wahrnehmung, die es ihnen ermöglicht, die tiefe Identität Jesu zu erkennen. Sie nennen denjenigen «Sohn Davids», den die Schriftgelehrten und Pharisäer trotz ihrer profunden Bibelkenntnisse noch nicht erkennen. Ihre Behinderung wird so paradoxerweise zu einem besonderen Zugang zur Offenbarung.

Diese Dynamik zieht sich durch die gesamte Heilige Schrift. Der Prophet Jesaja sagte bereits voraus: «An jenem Tag werden die Tauben die Worte der Schriftrolle hören, und aus Finsternis und Dunkelheit werden die Augen der Blinden sehen.»Ist 29,18) Die prophetische Tradition verband die Wiederherstellung des Sehvermögens mit der messianischen Zeit, einem Zeichen dafür, dass Gott selbst kommen würde, um sein Volk zu besuchen. Indem Jesus Blinde heilte, erfüllte er diese Prophezeiungen, doch tat er dies auf eine Weise, die offenbarte, dass die grundlegendste Heilung die Augen des Herzens betrifft.

Paulus entwickelt diese Theologie der inneren Schau in seinen Briefen. Er betet, dass die Epheser «den Geist der Weisheit und Offenbarung empfangen, damit ihr ihn immer besser erkennt. Mögen die Augen eures Herzens erleuchtet werden, damit ihr die Hoffnung seht, zu der er euch berufen hat» (Epheser 1,17–18). Wahre Blindheit ist in diesem Sinne nicht das Fehlen visueller Wahrnehmung, sondern die Unfähigkeit, Gottes Wirken und die Identität Christi zu erkennen.

Die Stelle aus dem Matthäusevangelium konfrontiert uns somit mit unserer eigenen Blindheit. Wie oft sehen wir, ohne wirklich zu sehen, schauen, ohne zu erkennen? Wir können über ein beeindruckendes theoretisches Wissen der christlichen Lehre verfügen und dennoch blind für die lebendige Gegenwart Christi in unserem Alltag bleiben. Wir können unzählige religiöse Erfahrungen sammeln, ohne jemals wirklich zu erkennen, wem wir folgen. Die Blinden von Kapernaum lehren uns, dass es eine Vision gibt, die tiefer geht als das Sehen, ein Wissen, das der Sinneswahrnehmung vorausgeht.

Das Glaubensbekenntnis als schöpferischer Akt

Die zweite theologische Dimension untersucht die Rolle des Glaubensbekenntnisses im Heilungsprozess. Jesus heilt die Blinden nicht, bevor er ihre Antwort auf seine Frage erhalten hat: «Glaubst du, dass ich das tun kann?» Diese Frage macht Heilung nicht zu einem einseitigen Akt göttlicher Macht, sondern zu einem Zusammenwirken zwischen der angebotenen Gnade und dem Glauben, der sie empfängt.

Glaube ist in der biblischen Theologie niemals bloß intellektuelle Zustimmung zu Glaubenssätzen. Er ist in erster Linie eine Vertrauensbeziehung, eine Hingabe an einen Anderen, der als vertrauenswürdig anerkannt wird. Die Blinden beweisen diesen beziehungsorientierten Glauben, indem sie Jesus folgen, ohne ihn zu sehen, indem sie ihm Titel verleihen, die ihre Anerkennung seiner einzigartigen Autorität belegen, und indem sie sich bereit erklären, ihm zu dem Haus zu folgen, in dem die entscheidende Begegnung stattfinden wird.

Doch Jesus verlangt mehr als bloßes Vertrauen. Er fordert ein klares Bekenntnis, ein verbindliches Wort. «Glaubst du, ich kann das tun?» Diese Frage verlangt eine persönliche Antwort, eine klare Haltung. Es gibt keinen Raum für Zweideutigkeiten oder halbe Sachen. Man muss Ja oder Nein sagen, öffentlich seine Überzeugung bekräftigen, dass Jesus die Macht hat, die Situation zu verändern. Dieses Wort des Glaubens selbst wird schöpferisch und öffnet den Raum, in dem das Wunder geschehen kann.

Jesu letzte Worte bestätigen diese Dynamik: «Euch geschehe nach eurem Glauben.» Diese Aussage bedeutet nicht, dass menschlicher Glaube mechanisch Ergebnisse hervorbringt, als könnten wir Gott durch spirituelle Techniken manipulieren. Vielmehr offenbart sie, dass der Glaube der Ort des Bundes ist, der Beziehungsraum, in dem göttliche Macht frei wirken kann, weil sie auf empfängliches Vertrauen trifft. Der Glaube ist nicht die wirkende Ursache des Wunders, sondern seine ermöglichende, indem er die Bedingungen für eine echte Begegnung schafft.

Diese Theologie des Glaubensbekenntnisses durchzieht das gesamte Neue Testament. Jesus erklärt an anderer Stelle: «Wenn du glauben kannst, ist dem, der glaubt, alles möglich» (Markus 9,23). Paulus bekräftigt: «Wer mit dem Herzen glaubt, wird gerechtfertigt, und wer mit dem Mund bekennt, wird gerettet» (Römer 10,10). Jakobus betont: «Denn das Gebet des Glaubens wird den Kranken heilen» (Jakobus 5,15). Das Glaubensbekenntnis ist daher kein optionales Beiwerk, sondern ein wesentlicher Bestandteil des Heilungs- und Heilsprozesses.

Beharrlichkeit im Gebet als Weg zur Reifung

Die dritte theologische Dimension untersucht das Thema der Beharrlichkeit. Die Blinden begnügen sich nicht mit einem stillen Appell. Sie rufen laut, folgen Jesus trotz aller Hindernisse und halten durch, selbst wenn der Herr nicht sofort antwortet. Diese Hartnäckigkeit offenbart eine wesentliche Eigenschaft echten Glaubens: Er lässt sich angesichts scheinbar ausbleibender Reaktion nicht entmutigen.

Christus lehrt an anderer Stelle diese Notwendigkeit des beharrlichen Gebets durch mehrere Gleichnisse. Der unerwünschte Freund, der mitten in der Nacht so lange an die Tür klopft, bis er bekommt, was er will (Lukas 11,5-8), die Witwe, die den ungerechten Richter so lange bedrängt, bis er ihr Recht gewährt (Lukas 18,(Verse 1–8) veranschaulichen dasselbe Prinzip. Gott erhört unsere Gebete nicht immer sofort, nicht aus Gleichgültigkeit, sondern um uns zu lehren. Die Verzögerung ermöglicht es uns, unser Anliegen zu klären, unsere Bitte zu verfeinern und von einer bloßen, eigennützigen Bitte zu einer echten Suche nach Gott selbst zu gelangen.

Die Blinden schreien auf der Straße, doch ihre Gebete werden nicht sofort erhört. Jesus betritt ein Haus und hindert sie nicht daran, ihm zu folgen. Diese räumliche Bewegung symbolisiert einen spirituellen Fortschritt: vom öffentlichen Ruf zur intimen Begegnung, vom kollektiven Appell zur persönlichen Antwort. Beharrliches Gebet führt uns vom Äußeren zum Inneren, von der Oberfläche in die Tiefe, von der Bitte zur Beziehung.

Dieses Durchhaltevermögen ist weder Sturheit noch blinde Beharrlichkeit. Es zeugt vielmehr von einer tiefen Überzeugung, dass Jesus antworten kann und will. Die Blinden ändern ihre Meinung nicht, suchen keinen anderen Heiler und ergeben sich nicht ihrem Schicksal. Sie glauben, dass der Sohn Davids die Macht hat, sie zu retten, und halten trotz des anfänglichen Schweigens an dieser Gewissheit fest. Ihr Glaube wird durch das Ausbleiben einer sofortigen Antwort nicht erschüttert, denn er gründet sich auf die Identität Jesu und nicht auf das Erreichen eines bestimmten Ergebnisses.

Durch den Glauben an Jesus werden zwei Blinde geheilt. (Mt 9,27-31)

Anwendungen für unser spirituelles Leben heute

Diese theologischen Lehren werden in verschiedenen Bereichen unseres christlichen Lebens konkret angewendet. Sie bleiben keine frommen Abstraktionen, sondern werden zu praktischen Wegen, unsere Beziehung zu Christus zu vertiefen.

Das Beispiel der Blinden ruft uns in unserem Gebetsleben dazu auf, lauwarme und distanzierte Gebete aufzugeben. Wie oft murmeln wir zerstreute Bitten, ohne wirklich an Gottes Eingreifen zu glauben? Wie oft beten wir aus Gewohnheit, aus Pflichtgefühl, ohne echten Wunsch? Die Blinden schreien, beharren und drängen. Ihr Gebet ist dringlich, persönlich und voller Zuversicht. Sie sprechen keine auswendig gelernte Formel, sondern bringen ein tiefes Bedürfnis zum Ausdruck. Auch unser Gebet sollte diese Intensität wiederentdecken, diese Überzeugung, dass Jesus unsere Situation verändern kann.

In unserem Glaubensverständnis befreit uns diese Passage von der Illusion, wir müssten erst verstehen, um dann glauben zu können. Blinde glauben, bevor sie sehen, bekennen, bevor sie geheilt werden. Diese kontraintuitive Abfolge offenbart, dass authentischer Glaube stets dem Beweis vorausgeht. Wir leben in einer Kultur, die Beweise vor Hingabe, Garantien vor Vertrauen verlangt. Das Evangelium kehrt diese Logik um: Es lädt uns ein, im Dunkeln Ja zu sagen, unsere Überzeugung zu bekennen, bevor die Beweise sichtbar werden. Dieser Glaube geht der Erfahrung der Verwandlung voraus und bereitet sie vor.

In unserem Zeugnis stellt uns die Spannung zwischen dem gebotenen Schweigen und der Verkündigung der Heilung vor eine Herausforderung. Jesus gebietet Diskretion, doch Blinde können nicht schweigen. Diese Dialektik offenbart, dass wahres Zeugnis aus einer unaufhaltsamen inneren Wandlung entspringt. Wir legen Zeugnis nicht aus strategischen Gründen oder moralischer Pflicht ab, sondern weil wir von Christus berührt wurden und diese Begegnung uns ganz natürlich zum Ausdruck bringt. Gleichzeitig erinnert uns Jesus daran, dass das authentischste Zeugnis nicht immer das lauteste ist. Es gibt eine stille Verkündigung, ein diskretes Leuchten, das kraftvoller sein kann als jede Rede.

In unseren gemeinschaftlichen Beziehungen verdient die kollektive Dynamik Beachtung. Matthäus erwähnt zwei Blinde, Markus hingegen nur einen. Diese Vielfalt deutet darauf hin, dass Glaube oft in Gemeinschaft gelebt wird, dass wir einander brauchen, um in schwierigen Zeiten unser Vertrauen zu bewahren. Die beiden Männer unterstützen sich gegenseitig in ihrem Streben nach Jesus, bestärken sich in ihren Überzeugungen und bekennen gemeinsam ihren Glauben. Unser christliches Leben ist kein einsames Abenteuer, sondern eine gemeinschaftliche Reise, auf der wir uns gegenseitig ermutigen, trotz Hindernissen am Glauben festzuhalten.

Die patristische Tradition und die Theologie der Erleuchtung

Die Kirchenväter haben diese Stelle mit einer Tiefe ergründet, die unser Verständnis ungemein bereichert. Origenes von Alexandria entwickelte im dritten Jahrhundert eine allegorische Deutung, in der die körperliche Blindheit die geistige Blindheit der gefallenen Menschheit symbolisiert. Für ihn sind alle Menschen blind für die göttliche Wahrheit und benötigen Christus, das Licht der Welt, um geistige Erkenntnis zu erlangen. Jesu Berührung der Augen ist ein Vorbild für die Taufe, das Sakrament der Erleuchtung, das die Augen des Herzens für die Wirklichkeit des Reiches Gottes öffnet.

Augustinus von Hippo meditiert im fünften Jahrhundert in dieser Passage ausführlich über das Thema der Sehnsucht. Die Blinden zeigen eine tiefe Sehnsucht, einen brennenden Durst nach Heilung, der sie antreibt, alle Hindernisse zu überwinden. Für Augustinus ist diese Sehnsucht bereits ein Werk der Gnade. Gott weckt die Sehnsucht in uns, bevor er sie erfüllt, und bereitet so unsere Herzen darauf vor, das zu empfangen, was er uns geben möchte. Das beharrliche Gebet der Blinden offenbart, dass Gott bereits in ihnen wirkt, noch bevor das sichtbare Wunder geschieht. Der heilige Bischof schreibt in seinen Bekenntnissen, dass unsere Herzen unruhig sind, bis sie in Gott Ruhe finden, und veranschaulicht damit dieselbe Dynamik der Sehnsucht, die durch die Gnade geweckt und erfüllt wird.

Johannes Chrysostomus, Patriarch von Konstantinopel im vierten Jahrhundert, betonte Jesu schrittweise Lehrmethode. Der Herr antwortete aus mehreren Gründen nicht sofort auf die Schreie der Blinden: um ihren Glauben zu prüfen und um sie zu lehren. Geduld, Um sie zu einer tieferen Begegnung mit ihm zu führen. Chrysostomus betont auch die Weisheit der Frage: «Glaubt ihr, dass ich das kann?» Nicht, dass Jesus ihre Gedanken nicht kennen würde, aber er möchte ihren Glauben konkretisieren, sie von einer vagen Hoffnung zu einem klaren Bekenntnis führen. Diese göttliche Pädagogik respektiert die menschliche Freiheit und leitet sie gleichzeitig zu einer persönlichen Entscheidung.

Die östliche Theologie entwickelt insbesondere das Thema der Erleuchtung. Die Heilung des Blinden wird zum Sinnbild, zum Bild der Taufe, die als «Photismos», Erleuchtung, verstanden wird. Gregor von Nazianz spricht von der Taufe als leuchtendem Siegel, einem Zeichen des Lichts, das den Getauften grundlegend verwandelt. Der Neugetaufte tritt aus der Finsternis in das wunderbare Licht Gottes ein und empfängt eine neue Vision, die es ihm ermöglicht, die dem menschlichen Auge verborgene geistige Wirklichkeit zu erkennen. Diese Theologie der Tauferleuchtung hat eine tiefe Resonanz mit dem Matthäusevangelium.

Auch die mittelalterliche lateinische Tradition nutzt die Symbolik. digital. Der heilige Bernhard von Clairvaux sinniert über die zwei Blinden und sieht darin einen Hinweis auf die zwei Gebote der Liebe: Gott zu lieben und den Nächsten zu lieben. Geistige Blindheit besteht genau darin, Gott nicht sehen und das Antlitz Christi in unseren Brüdern und Schwestern nicht erkennen zu können. Heilung stellt diese doppelte Sehkraft wieder her und ermöglicht es uns, die göttliche Herrlichkeit zu betrachten und die Gegenwart des Herrn in jedem Menschen zu erkennen.

Ein sechsstufiger Meditationsweg

Um dieses Evangelium persönlich zu verinnerlichen, hilft ein strukturierter meditativer Weg, von intellektuellem Verständnis zu innerer Erfahrung zu gelangen.

Schritt 1: Meine blinden Flecken erkennen. Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um ehrlich die blinden Flecken in Ihrem Leben zu erkennen. Wo sehe ich nicht klar? In welchen Bereichen meines Lebens tappe ich im Dunkeln? Das können blockierte Beziehungen, unsichere Karriereentscheidungen, ungeklärte Glaubensfragen oder ungelöste Wunden sein. Benennen Sie diese blinden Flecken präzise, ohne sie zu verharmlosen oder zu dramatisieren.

Schritt 2: Der Weg zu Jesus. Stellen Sie sich konkret vor, was es bedeutet, Christus in Ihrer jetzigen Situation nachzufolgen. Die Blinden folgten Jesus, ohne ihn zu sehen, geleitet von seiner Stimme und seinem Ruf. Auch ich muss bereit sein, mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln auf ihn zuzugehen, selbst wenn nicht alles klar ist. Dieser Weg kann die Form von regelmäßigem Gebet, fleißigem Bibellesen, Engagement in der Gemeinde oder einem Versöhnungsprozess annehmen.

Schritt 3: Mein Flehen laut aussprechen. Es wagen, meine Bitte mit Inbrunst zu äußern, ohne falsche Bescheidenheit oder übertriebene Zurückhaltung. «Sei mir gnädig, Sohn Davids.» Diese Anrufung mehrmals wiederholen, sie von meinem Kopf in mein Herz hinabfließen lassen, sie mit meinem ganzen Wunsch nach Veränderung aufladen. Anerkennen, vor Gott ein Bettler zu sein, meine radikale Abhängigkeit, meine Armut essentiell.

Schritt 4: In die Intimität eintreten. Vom öffentlichen Protest zur persönlichen Begegnung. Die Blinden folgten Jesus ins Haus. Auch ich muss bereit sein, dem Alltagstrubel zu entfliehen, die Ablenkungen hinter mir zu lassen und in die Intimität mit dem Herrn einzutreten. Dies kann ein spiritueller Rückzugsort sein, eine stille Kapelle, eine Ecke meines Zimmers, die ich in einen Gebetsort verwandle. Entscheidend ist, die Voraussetzungen für eine persönliche Begegnung mit Christus zu schaffen.

Schritt 5: Seine Frage beantworten. Lass Jesus mir seine Frage stellen: «Glaubst du, ich kann das schaffen?» Antworte nicht vorschnell aus Gewohnheit oder Höflichkeit. Ergründe meine Zweifel, meine Ängste, mein Zögern. Finde dann, jenseits dieser Widerstände, in dir den Kern des Vertrauens, der sagen kann: «Ja, Herr, ich glaube, du kannst es.» Sprich dieses Bekenntnis laut aus, schreibe es vielleicht sogar auf, um es in der Realität zu verankern.

Schritt 6: Die Berührung empfangen und die Veränderung annehmen. Ich öffne mich dem Wirken Jesu und akzeptiere, dass er die blinden Flecken in meinem Leben berührt. Diese Heilung mag nicht augenblicklich oder spektakulär sein. Sie mag sich allmählich, in aufeinanderfolgenden Berührungen, entfalten. Aber ich kann die mir verheißene neue Sichtweise bereits erahnen, mich darauf vorbereiten, anders zu sehen, Gottes Gegenwart dort zu erkennen, wo ich sie zuvor nicht wahrgenommen habe.

Durch den Glauben an Jesus werden zwei Blinde geheilt. (Mt 9,27-31)

Zeitgenössische Herausforderungen des Glaubens ohne Sehen

Unser postmodernes Zeitalter stellt den Glauben der Blinden vor besondere Herausforderungen. Verschiedene kulturelle und spirituelle Hindernisse erschweren es uns, zu glauben, bevor wir sehen, zu bekennen, bevor wir empfangen.

Die erste Herausforderung ist das Verlangen nach handfesten Beweisen. Wir leben in einer wissenschaftlich geprägten Gesellschaft, die empirische Überprüfung, Reproduzierbarkeit und objektive Messung hoch schätzt. Diese Erkenntnistheorie hat bemerkenswerte Fortschritte in den Naturwissenschaften hervorgebracht, wird aber problematisch, wenn sie behauptet, der einzige Weg zum Verständnis der Realität zu sein. Der biblische Glaube widerspricht nicht der Vernunft, sondern erkennt Erkenntniswege an, die über rein logische Beweise hinausgehen. Der Glaube, dass Jesus uns heilen kann, bevor wir das Ergebnis sehen, steht im Widerspruch zu unserer heutigen Denkweise. Doch jede authentische Beziehung, jede tiefe Bindung erfordert dieses vorausschauende Vertrauen. Wir können nicht lieben, heiraten oder Kinder bekommen, wenn wir vorher einen absoluten Beweis dafür fordern, dass alles gut wird.

Die zweite Herausforderung ist die Vielzahl spiritueller Angebote. Diejenigen, die Jesus als den Sohn Davids erkennen, suchen nicht weiter. Unsere Zeit bietet einen florierenden spirituellen Markt, auf dem jeder nach seinen Vorlieben auswählen kann. Diese Vielfalt kann bereichernd sein, birgt aber auch die Gefahr, die Hingabe zu verwässern. Authentischer christlicher Glaube erfordert eine Form der Exklusivität, nicht aus Engstirnigkeit, sondern weil die Anerkennung Jesu als Herrn höchste Treue bedeutet. Christus zu wählen bedeutet, ihn nicht als bloße Option unter vielen, als Anbieter spiritueller Dienstleistungen im Wettbewerb mit anderen zu betrachten.

Die dritte Herausforderung ist der Individualismus, der den gemeinschaftlichen Glauben schwächt. Die beiden blinden Männer gehen gemeinsam ihren Weg und unterstützen sich gegenseitig auf ihrer Suche nach Heilung. Unsere Kultur misst der Autonomie einen so hohen Wert bei, dass sie jeden Einzelnen zu einem isolierten Wesen macht, das seine eigene Wahrheit konstruiert. Diese Vereinzelung erschwert das Festhalten am Glauben. Ohne eine Gemeinschaft, die unsere Gebete trägt, wenn wir straucheln, ohne Brüder und Schwestern, die unseren Glauben neu entfachen, wenn wir zweifeln, droht unser Glaube zu verkümmern. Die Kirche ist kein optionaler Club für gesellige Christen, sondern der Leib Christi, der Raum, in dem der Glaube jedes Einzelnen durch den Glauben aller getragen wird.

Vierte Herausforderung: spiritueller Konsumismus, der nach sofortigen Ergebnissen strebt. Die Blinden hielten trotz Jesu anfänglichem Schweigen durch. Unsere Kultur der sofortigen Bedürfnisbefriedigung verträgt Warten, Verzögerungen und langsames Reifen schlecht. Wir wollen schnelle Lösungen, spektakuläre Veränderungen und mühelose Heilungen. Diese Ungeduld behindert die wahre Bekehrung, die Zeit braucht. Das Reich Gottes wächst wie ein Same, langsam und unsichtbar, bevor es eine reiche Ernte hervorbringt. Diesen Rhythmus des organischen Wachstums anzunehmen, steht im Widerspruch zu unserem Wunsch nach Kontrolle und sofortigen Ergebnissen.

Diese Herausforderungen sind nicht unüberwindbar. Sie erfordern lediglich besondere Wachsamkeit und ein spirituelle Unterscheidung Erneuert. Angesichts des Szientismus können wir die Legitimität anderer Erkenntniswege bekräftigen, ohne die Rationalität aufzugeben. Angesichts des Pluralismus können wir unsere christologische Überzeugung bewahren und gleichzeitig aufrichtige Suchende nach anderen Traditionen respektieren. Angesichts des Individualismus können wir uns wieder dem Gemeinschaftsleben zuwenden und die Kirche als spirituelle Familie neu entdecken. Angesichts des Konsumismus können wir kultivieren Geduld, lernen, die Zeit des Wartens als fruchtbare Zeit der inneren Reifung zu begreifen.

Gebet zur Öffnung der Augen des Herzens

Herr Jesus, Sohn Davids und Sohn Gottes, Licht, komm in die Welt, um unsere Finsternis zu vertreiben. Aus der Tiefe unserer Blindheit rufen wir zu dir. Wie die Blinden von Kapernaum suchen wir dich, ohne dich immer zu sehen, wir rufen dich an, ohne deine Gegenwart immer zu erkennen. Erbarme dich unser.

Du kennst die dunklen Winkel unseres Daseins, die Stellen, an denen wir orientierungslos im Dunkeln tappen, die Fragen, die uns quälen, ohne Antworten zu finden, die Wunden, die im Verborgenen noch immer bluten. Du siehst unsere Verwirrung, unsere Zweifel, unsere Ängste. Du weißt, wie schwer es uns fällt zu glauben, wenn alles so undurchsichtig bleibt, dir zu vertrauen, wenn du zu schweigen scheinst.

Schenke uns den Glauben der Blinden, die es wagten, deinen Namen auf der Straße zu rufen, die trotz anfänglicher Stille ausharrten, die die Schwelle des Hauses überschritten, um dir nahe zu sein. Stärke in uns diese brennende Sehnsucht, dir wahrhaft zu begegnen, diesen Durst nach Wandlung, der bereit ist, alles zu riskieren, um alles zu empfangen.

Wir bekennen vor dir unseren zerbrechlichen Glauben: Ja, Herr, wir glauben, dass du heilen kannst, was in uns zerbrochen ist, öffnen, was verschlossen ist, und erhellen, was im Dunkeln liegt. Wir glauben, dass du die Autorität und die Macht besitzt, unsere festgefahrensten Situationen zu verändern, zu befreien, was gefesselt war, und zu erwecken, was tot schien.

Herr, berühre die Augen unserer Herzen. Schenke uns die innere Schau, die deine Gegenwart hinter dem Schleier des Sichtbaren erkennt. Lehre uns, dich in den Ereignissen unseres Alltags zu sehen, deine Vorsehung in den Wirren unserer Geschichte zu erkennen und dein Antlitz in den Gesichtern unserer Mitmenschen zu erkennen.

Gib uns auch den Mut, Zeugnis abzulegen. Wie der geheilte Blinde, der nicht länger schweigen konnte, so möge unser ganzes Leben die Wunder verkünden, die du an uns gewirkt hast. Mögen unsere Worte und Taten dein Licht ausstrahlen, möge unser Dasein deine Gegenwart durchscheinen lassen, möge unsere Freude ansteckend sein für alle, die noch in Dunkelheit wandeln.

Hilf uns, die Wartezeit zu ertragen, in der du unsere Gebete nicht sofort erhörst. Hilf uns zu verstehen, dass dein scheinbares Schweigen oft eine Lektion ist, dass du uns zu einer tieferen Begegnung führst und dass du in uns die Sehnsucht weckst, damit wir sie besser erfüllen können.

Wir beten für alle, die das Licht suchen, ohne zu wissen, wo sie es finden können, für alle, die nachts rufen und keine Antwort erhalten, für alle, die von Verzweiflung gelähmt sind und sich nicht einmal mehr trauen, dich anzuflehen. Mögen sie deine Stimme hören, die sie ruft, mögen sie deinen liebevollen Blick spüren, mögen sie erkennen, dass du ihnen auf ihrem Weg stets vorangehst.

Wir wenden uns insbesondere an Sie, jene, die unter körperlicher Blindheit leiden, damit ihre Behinderung paradoxerweise zu einer Quelle gesteigerter spiritueller Einsicht werde. Wir wenden uns auch an Sie, all jene, die unter kollektiver Blindheit leiden: Gesellschaften, die in tödlichen Ideologien gefangen sind, religiöse Gemeinschaften, die von Legalismus oder Fanatismus gefangen gehalten werden, und Familien, die unfähig sind, einander wirklich zu sehen und zu lieben.

Komm, Herr Jesus, mit deiner heilenden Kraft. Wirke heute in uns, was du einst für die Blinden vollbracht hast. Möge alles für uns nach unserem Glauben geschehen, und möge dieser Glaube selbst deine Gabe, deine Gnade, dein Wirken in uns sein.

Durch deinen Heiligen Geist erleuchte uns, verwandle uns und forme uns nach deinem Bild. Mache uns zu leuchtenden Zeugen deiner Auferstehung, zu Hoffnungsträgern für diese Welt, die in Dunkelheit taumelt. Lass uns... Verheiratet, deine Mutter und unsere Mutter, lass uns singen von den Wundern, die du für die Demütigen vollbringst, die dir vertrauen.

Wir danken dir für die bereits empfangenen Heilungen, für die bereits gewährte Erleuchtung, für die bereits vollbrachten Bekehrungen. Wir beten dich an, o Christus, Licht der Welt, Weg, Wahrheit und Leben. Dir sei Ehre, Lob und Lobpreis, jetzt und in Ewigkeit. Amen.

Durch den Glauben an Jesus werden zwei Blinde geheilt. (Mt 9,27-31)

Von der Blindheit zum Sehen, ein Weg, der immer offen ist

Das Evangelium von den zwei geheilten Blinden spricht in unserer eigenen Blindheit zu uns mit einer befreienden Verheißung: Jesus kann unsere Augen öffnen, er möchte, dass wir sehen, und er wartet auf unser Vertrauen, um sein Werk der Verwandlung in uns zu vollbringen. Diese Passage ist nicht bloß der Bericht eines einzelnen Wunders, das sich vor zwei Jahrtausenden in Palästina ereignete, sondern die Offenbarung einer beständigen, allgegenwärtigen und relevanten spirituellen Dynamik.

Wir erkannten, dass wahre Blindheit nicht primär physisch, sondern spirituell ist, dass die Augen des Herzens wichtiger sind als die Augen des Fleisches. Wir verstanden, dass authentischer Glaube dem Beweis stets vorausgeht, dass er darin besteht, im Dunkeln Ja zu sagen, bevor man das Licht empfängt. Wir begriffen die Bedeutung des beharrlichen Gebets, dieses vertrauensvollen Festhaltens, das Christus trotz scheinbarer Stille und aller Hindernisse nachfolgt.

Die Frage, die Jesus den Blinden stellte, berührt uns alle heute: «Glaubt ihr, ich kann das tun?» Diese Frage verlangt unsere persönliche Antwort, unser tief empfundenes Bekenntnis, unser klares Glaubensbekenntnis. Wir dürfen nicht länger unentschlossen oder unsicher bleiben. Wir müssen uns entscheiden, Stellung beziehen und den Mut haben, unsere Überzeugung zu bekräftigen, dass Christus die Macht hat, unser Leben grundlegend zu verändern.

Die Heilung der Blinden erinnert uns auch daran, dass Gott unsere Freiheit achtet. Er drängt sich niemals in unsere Herzen und zwingt uns sein Licht nicht auf. Er wartet auf unsere Zustimmung, unseren Wunsch, unsere Bitte. Deshalb bleibt das Gebet so wichtig – nicht um Gott unsere Bedürfnisse mitzuteilen, die er bereits kennt, sondern um unsere Bereitschaft, unsere Offenheit für sein Wirken und unsere aktive Mitwirkung am Werk der Gnade auszudrücken.

Der Weg, den dieses Evangelium uns weist, steht uns auch heute noch offen. Wir können jetzt unsere blinden Flecken erkennen, uns auf den Weg zu Jesus machen, ihn anflehen, eine tiefe Beziehung zu ihm aufbauen, unseren Glauben bekennen und seine heilende Berührung empfangen. Diese spirituelle Reise garantiert keine magischen oder sofortigen Ergebnisse, aber sie führt uns in einen Prozess der allmählichen Veränderung, in dem Christus geduldig daran arbeitet, uns die Augen zu öffnen.

Die abschließende Einladung ist eindeutig: selbst Zeugen des empfangenen Lichts zu werden. Wie die geheilten Blinden, die trotz der Anweisung zur Verschwiegenheit nicht schweigen konnten, sind auch wir aufgerufen, unsere Erfahrungen zu teilen. Freude der transformierenden Begegnung mit Christus. Nicht durch aggressive Missionierung oder den Wunsch, um jeden Preis zu überzeugen, sondern durch die natürliche Ausstrahlung eines von innen erleuchteten Lebens, durch die Übereinstimmung zwischen unseren Worten und Taten, durch die authentische Liebe, die wir allen entgegenbringen.

Praktiken für ein Leben nach diesem Evangelium

  • Sich täglich eine Zeit des stillen Gebets zu nehmen, und sei es auch nur eine kurze, um diesen Raum der Vertrautheit mit Jesus zu schaffen, vergleichbar mit dem Eintritt eines Blinden in ein Haus, fernab von Lärm und Ablenkungen.
  • Ich identifiziere einen Bereich spiritueller Blindheit in meinem Leben und vertraue ihn eine Woche lang jeden Tag ausdrücklich Christus an, indem ich das Gebet des Blinden wiederhole: «Sei mir gnädig, Sohn Davids.»
  • Üben lectio divina Ich lasse diese Passage aus dem Matthäusevangelium in mir nachklingen, hinterfrage meine Widerstände, wecke in mir den Wunsch nach Veränderung, bis sie zu einem persönlichen Wort wird, das auf meine Situation zugeschnitten ist.
  • Ich möchte mich einer Glaubensgemeinschaft anschließen oder meine Teilnahme daran vertiefen, um diese spirituelle Reise gemeinsam zu erleben und mich dabei mit anderen Gläubigen in Ausdauer und Vertrauen zu unterstützen.
  • Ich möchte mein eigenes Glaubensbekenntnis als Antwort auf Jesu Frage verfassen und darin klar darlegen, in welchen Bereichen ich glaube, dass er eingreifen kann, welche Veränderungen ich von ihm erwarte und welche Verpflichtung ich eingehe.
  • Ich übe Urteilsvermögen bei meinem Zeugnis, finde das richtige Gleichgewicht zwischen der gebotenen Diskretion und der notwendigen Verkündigung und lerne, meinen Glauben respektvoll und authentisch weiterzugeben, ohne ihn anderen aufzuzwingen.
  • Kultiviere die spirituelle Geduld indem man akzeptiert, dass manche Heilungen Zeit brauchen, indem man die Forderung nach sofortigen Ergebnissen aufgibt und indem man die Zeit der inneren Reifung gelassen auskostet.

Verweise

Benedikt XVI., Jesus von Nazareth, Flammarion, 2007, insbesondere das Kapitel über Wunder als Zeichen des Königreichs.

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Chouraqui André, Das Universum der Bibel, Lidis-Brepols, für das Verständnis des palästinensisch-jüdischen Kontextes des ersten Jahrhunderts und der Bedeutung des Titels «Sohn Davids».

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Guardini Romano, Der Herr, Elsass, 1945, für eine tiefgründige Betrachtung der Person Christi und seines transformierenden Wirkens in den Evangelien.

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