Evangelium Jesu Christi nach Lukas
An diesem Tag,
Einige Pharisäer traten an Jesus heran und sagten zu ihm:
«"Verschwinde, hau ab von hier!"
Herodes will dich töten.»
Er antwortete ihnen:
«"Geh und sag es dem Fuchs:
Siehe, ich treibe Dämonen aus und vollbringe Heilungen.
heute und morgen,
Und am dritten Tag erreiche ich das Ende.
Aber ich muss meinen Weg fortsetzen
heute, morgen und übermorgen,
weil es nicht geeignet ist
dass ein Prophet außerhalb Jerusalems umkommen sollte.
Jerusalem, Jerusalem,
Ihr, die ihr die Propheten tötet
und wer die zu dir Gesandten steinigt,
Wie oft wollte ich eure Kinder schon zusammenbringen?
wie eine Henne, die ihre Küken unter ihre Flügel sammelt,
Und das wolltest du nicht!
Seht, euer Tempel ist euch selbst überlassen.
Ich erkläre Ihnen:
Du wirst mich nicht mehr sehen
bis der Tag kommt, an dem du sagen wirst:
Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn! »
– Lasst uns das Wort Gottes bejubeln.
Es ziemt sich nicht, dass ein Prophet außerhalb der Stadt umkommt.
Warum Jerusalem unsere Ablehnung des Lichts und Gottes Ruf zur Versöhnung verkörpert.
Im Zentrum des Lukasevangeliums steht ein kurzer, ungewöhnlicher und ergreifender Satz, der wie ein Urteil klingt: «Es ziemt sich nicht, dass ein Prophet außerhalb Jerusalems umkomme.» Damit gibt sich Jesus nicht geschlagen: Er offenbart den Kern der Menschheitsgeschichte, dieses dramatische Hin und Her zwischen göttlicher Treue und unserer wiederholten Ablehnung. Dieser Artikel richtet sich an alle Gläubigen und Sinnsuchenden, die verstehen möchten, warum diese Aussage weiterhin relevant ist: keine Verurteilung, sondern der Beginn eines Weges zu Klarheit, Mitgefühl und innerer Umkehr.
Kontext
Die Passage in Lukas 13,31–35 fällt in einen entscheidenden Moment von Jesu öffentlichem Wirken. Er ist auf dem Weg nach Jerusalem, wissend, was ihn dort erwartet. Einige Pharisäer, vielleicht in guter Absicht, kommen, um ihn zu warnen: Herodes will ihn töten. Jesus antwortet mit stiller Entschlossenheit: «Geht und sagt es diesem Fuchs …» Sein Weg wird nicht von den Intrigen der Macht bestimmt, sondern von seiner Treue zu seiner Mission.
Die Prophezeiung, die er daraufhin ausspricht – «Ich muss meinen Weg weitergehen: heute, morgen und übermorgen» –, ordnet die Zeit seines Lebens in eine Logik der Erfüllung ein. Alles läuft auf Jerusalem hinaus: den Ort des Tempels, das Zentrum des Glaubens und zugleich ein Symbol tragischer Ablehnung. Dies ist kein Zufall; in dieser Spannung erfüllt sich die Mission der Propheten. Jerusalems Unglück liegt darin, die Boten zurückgewiesen zu haben. Die Tragödie ist universell: Jedes menschliche Herz, jede Gemeinschaft kennt die Versuchung, das Unbehagenvolle abzulehnen.
Die Tragik der Passage liegt in ihrer Doppeldeutigkeit: einerseits die unerbittliche Verkündigung des Leidens, andererseits die zärtliche Klage: «Wie oft habe ich mich danach gesehnt, deine Kinder um mich zu sammeln, wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt.» Unter dem mütterlichen Bild spürt man die Barmherzigkeit eines verwundeten Gottes.
Lukas, der Evangelist der Barmherzigkeit, will zeigen, dass Jesus nicht aus Versagen stirbt, sondern indem er bis zum Ende die Liebe erfüllt. Die Prophezeiung endet nicht; sie findet ihre Vollendung in der höchsten Offenbarung des Kreuzes. Dieser Text wird somit zum Schlüssel zum Verständnis der gesamten Heilsgeschichte: Jerusalem ist der Spiegel unserer Menschlichkeit, schwankend zwischen Berufung und Ablehnung, zwischen Hoffnung und Widerstand.

Analyse
Der zentrale Gedanke dieser Passage ist paradox: die Notwendigkeit der Ablehnung. Jesus sagt nicht einfach, dass er in Jerusalem sein Leben riskiert; er bekräftigt, dass es «passend» sei, dass es dort geschehe. Dieses Verb deutet auf eine spirituelle Passung hin, auf eine innere Übereinstimmung mit Gottes Plan. Der Prophet stirbt dort, wo das Wort gehört werden muss, selbst wenn es nicht gehört wird.
Diese Konstanz entspricht dem gesamten Verlauf der Bibel: Vom Blut Abels bis zum Blut Zacharias erlitten die Propheten das Schicksal, das die Wahrheit dem Gewissen auferlegt. Ihr Tod entwertet ihre Botschaft nicht; er macht sie unzerstörbar. Jesus folgt dieser Linie und führt sie zu ihrer Vollendung.
Der Ausruf «Jerusalem, ihr, die ihr die Propheten tötet» geht über geografische Grenzen hinaus: Er verweist auf das menschliche Herz, den Sitz von Anbetung und Ablehnung zugleich. Selbst dort, wo Gott wohnen möchte, entsteht Widerstand. Diese universelle Spannung bildet die Wahrheit der Heilsgeschichte.
Das Bild der Henne, die ihre Küken um sich schart, steht in scharfem Kontrast zur Härte der Diagnose: Göttliche Zärtlichkeit schwindet nicht angesichts der Ablehnung. Sie zwingt nicht, sondern bietet beständig an. So ist die Prophezeiung keine Vergeltung, sondern Geduld. Jesu Urteil über Jerusalem ist ein Aufruf zur Hoffnung: «Ihr werdet mich nicht wiedersehen bis zu dem Tag, an dem ihr sagt: »Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn!‘“ Diese Formel wird zur Osterverheißung.
Lukas entwirft hier eine Theologie der Zeit: «Heute, morgen und am dritten Tag» stehen für die Etappen der Heilsgeschichte. ’Heute« bedeutet Mission, »morgen« Treue und »am dritten Tag« Auferstehung. Der Tod des Propheten in Jerusalem ist daher kein Scheitern, sondern die Vollendung einer Logik der Liebe.
Prophetischer Mut angesichts der Macht
Jesus floh nicht vor Herodes; er blieb. Diese Begebenheit verdeutlicht die wahre Bedeutung von Mut. Prophetischer Mut ist keine Leichtsinnigkeit; er besteht darin, gemäß dem empfangenen Auftrag beharrlich zu handeln. In der heutigen Welt, in der die Wahrheit beunruhigend ist und die Angst vor Konflikten lähmt, ermutigt uns dieser Text, klar und deutlich zu sprechen, ohne der Angst nachzugeben.
Das Bild des «Fuchses» Herodes erinnert an die List der Macht, die Angst ausnutzt, um die Menschen von der Wahrheit abzulenken. Jesus antwortet nicht mit Gewalt, sondern mit Treue: zu heilen, zu befreien, zu erfüllen. Das kennzeichnet jede christliche Berufung: die eigene Mission zu erfüllen, selbst wenn sie zum Kreuz führt.
Auf unser Leben angewendet bedeutet dies: Wir dürfen unser Gewissen nicht verleugnen, um anderen zu gefallen. Die Wahrheit sanft auszusprechen, bleibt ein prophetischer Akt. Wie Jesus kann jeder von uns den «Heroden» unserer Zeit – der Logik des Profits, der Herrschaft und des Zynismus – durch friedliche Beständigkeit und die Überwindung der Angst entgegentreten.

Inneres Jerusalem: Die Widerstände des Herzens
Jerusalem ist nicht nur eine Stadt, sondern auch unser innerster Zufluchtsort. Der Tempel, ein Symbol der Begegnung, wird zum Schauplatz der Ablehnung. Jeder Mensch erfährt diese Spannung: Gott möchte in unseren Herzen wohnen, doch wir ziehen es oft vor, ihn zu beherrschen.
Die Formulierung «Wie oft habe ich mich danach gesehnt, euch beisammen zu versammeln…» offenbart einen inneren Kampf: Gott wünscht sich unsere Einheit mehr als wir selbst. Unsere moderne, zersplitterte Welt muss diesen Ruf der Liebe hören. Erlösung beginnt damit, unseren Widerstand anzuerkennen: die Angst, geliebt zu werden, die Angst, unsere Autonomie zu verlieren, und die Angst vor dem Fremden als Bedrohung.
Über diese Passage nachzusinnen bedeutet, die Stellen zu benennen, an denen wir sagen: «Nicht hier, Herr.» Der spirituelle Weg ist ein Weg der allmählichen Wiederöffnung. Bekehrung besteht nicht darin, vollkommen zu werden, sondern darin, aufzuhören, das Wort Gottes mit unserer Gleichgültigkeit zu verschließen.
Gottes unfehlbare Zärtlichkeit
Der Vergleich mit der Mutter – der Henne und ihren Küken – ist beunruhigend. In der patriarchalisch geprägten biblischen Kultur vermittelt dieses eindringliche Bild eine Theologie der Barmherzigkeit. Gott ist nicht bloß König oder Richter: Er nährt, er beschützt, er wartet.
Selbst nach Zurückweisung bleibt die Zärtlichkeit bestehen. Diese Beharrlichkeit verändert unsere Wahrnehmung: Gottes Liebe ist nicht an unsere Annahme geknüpft. Sie bleibt bestehen wie ein stilles Opfer. So bleibt in jeder Situation des endgültigen Abschieds die Möglichkeit der Rückkehr bestehen.
Diese Gnade begründet unser Vertrauen: Wenn Gott Jerusalem nicht verlassen hat, verlässt er niemanden. Jedes Leben kann zu einem wiedereröffneten Tempel werden, zu einem wiederentdeckten Ort des Lobpreises.

Auswirkungen
Der Diskurs über Jerusalem handelt nicht nur von antiker Geschichte, sondern ist auch für unsere Lebensbereiche relevant.
- Privatleben: Um unsere Ablehnungen, unsere Bindungen, unsere Klagen zu erkennen. Um zu beten, dass Gottes Wahrheit nicht länger als Bedrohung, sondern als Licht erfahren wird.
- Gemeinschaftsleben: Wir sollten die freie Meinungsäußerung fördern und Minderheitenstimmen in unseren Gemeinden Gehör schenken. Prophetie ist nicht wenigen vorbehalten; sie durchdringt die gesamte Gemeinde.
- Soziales Leben: Wahrheit und Gerechtigkeit zu verteidigen, ohne sich entmutigen zu lassen; destruktive Ironie zurückzuweisen; dem Bösen mit treuer Präsenz zu begegnen.
- Geistliches Leben: Akzeptiere die Langsamkeit der «drei Tage»: Gott wirkt in Etappen. Beharrliches Gebet hält die Flamme trotz Ablehnung am Leben.
Jeder Mensch kann sein «inneres Jerusalem» zu einem Ort der Wandlung machen. Dieser Weg erfordert die Verbindung von Klarheit und Sanftmut, Mut und Demut. Die Vereinigung dieser Tugenden spiegelt den Weg Christi wider.
Tradition
Die Kirchenväter haben diese Stelle ausführlich kommentiert. Origenes sah darin eine göttliche Pädagogik: Gott zwingt sein Heil nicht auf, er bietet es an, bis die Geduld erschöpft ist. Der heilige Ambrosius betont, dass «das Heil nicht ohne Schmerz abgelehnt werden kann». Jesu Klage ist daher Ausdruck einer Wunde der Liebe.
In der Liturgie erinnert diese Wendung an den Passionsgesang: «Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!» – den Ruf des triumphalen Einzugs, gefolgt vom Jubelruf für den Gekreuzigten. Jerusalem wird so zum Schauplatz eines Paradoxons: Der Tod des Propheten bereitet das Leben der Welt.
Die klösterliche Spiritualität interpretiert diesen Text oft als Einladung, «auf dem Weg» zu bleiben: im Alltag auszuharren, nicht vor inneren Auseinandersetzungen zu fliehen. Für den heiligen Bernhard verkörpert Jerusalem die Seele, die nach der Wirren der Ablehnung dazu berufen ist, ein Ort des Friedens zu werden.
Meditationsanregungen
- Lesen Sie die Passage aus Lukas 13,31-35 langsam.
- Stell dir vor, wie Jesus geht, entschlossen, aber voller Mitgefühl.
- Erkenne den inneren Ort, an dem du dich weigerst, sein Wort zu hören.
- Seine Stimme zu hören, die dich ruft: "Wie oft wollte ich schon…"«
- Diesen abgeschlossenen Raum seiner Liebe zu widmen; in Stille zu verweilen.
- Schließen Sie mit der Wiederholung ab: «Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn.»
Diese Meditation kann während des Morgengebets oder vor dem Schlafengehen praktiziert werden. Sie verwandelt den Text in einen Raum der Begegnung, in dem Ablehnung zu Offenheit wird.

Aktuelle Herausforderungen
In einer Welt voller Informationen und Lärm wird die prophetische Stimme oft unterdrückt. Wie können wir heute jene «Jerusalems» erkennen, die das Licht ablehnen? Sie geben sich anderen Namen: Karriere, Meinung, Angst vor Positions- oder Imageverlust.
Herausforderung Nr. 1: Das Verhältnis zur Macht. Meinungsfreiheit stört das Gleichgewicht. Doch Christus lädt uns ein, die Wahrheit ohne Hass zu sprechen. Dies erfordert ein starkes inneres Leben, um nicht von den Meinungen anderer abhängig zu sein.
Herausforderung Nr. 2: Die Vertrauenskrise. Viele glauben, Gott habe angesichts von Tragödien nichts mehr zu sagen. Lukas' Text entgegnet, dass Gott uns nicht verlässt: Er geht mit der Stadt, die er liebt, selbst wenn sie zerstört wird.
Herausforderung Nr. 3: Geistige Erschöpfung. Wiederholte Zurückweisungen können entmutigend sein. Christus aber geht seinen Weg weiter. Seine Beharrlichkeit wird zum Vorbild an Ausdauer.
Diese Herausforderungen erfordern differenzierte Antworten: weder Naivität noch Zynismus. Glaube liegt zwischen Mut und Mitgefühl, Klarheit und Hoffnung. Jerusalem bleibt ein Ort der Möglichkeiten: Wo alles verloren scheint, kann neuer Segen entstehen.
Gebet
Herr Jesus,
Ihr, die ihr eurer Leidenschaft entgegengeht, ohne euer Tempo zu verlangsamen,
Schenke uns deinen stillen Mut.
Du bist angesichts der Drohungen Herodes' nicht geflohen;
Du setztest deinen Weg fort.,
Liebe der Angst, Wahrheit dem Kalkül vorziehen.
Lehre uns, in uns selbst und um uns herum zu erkennen,
Jerusalems Ablehnungen.
Wenn unsere Herzen die Türen schließen, klopfen wir umso sanfter.
Erinnere uns daran, dass du uns unter deine Fittiche nehmen willst.
Möge dein zärtlicher Blick unseren Zorn verwandeln.,
Möge deine Geduld unseren Widerstand brechen.
Wenn die Welt die Propheten tötet, lasst uns ihre Stimmen beschützen.
Wenn unsere Städte die Stille ersticken, lasst uns zu Handwerkern des Friedens werden.
Und wenn unsere Wege beschwerlich werden,
Denk an deine drei Tage:
die Gegenwart des Kampfes,
das Morgen der Loyalität,
Und am dritten Tag, dem Tag des Lichts.
Dann werden unsere Lippen mit neuer Freude sagen können:
«"Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn!"»
Amen.
Abschluss
Diese Passage aus dem Lukasevangelium ist nicht bloß eine Klage; sie offenbart einen spirituellen Weg. Sieh klar, flieh nicht, bleibe in Zärtlichkeit. Jeder kann in seinem eigenen Leben zum Propheten werden: indem er Gleichgültigkeit ablehnt und Treue der Angst vorzieht.
Den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen – heute, morgen und übermorgen – das ist die Weisheit Jesu. Diese schlichte Standhaftigkeit verändert die Welt wirksamer als jede Rede. Jerusalem wird seinen König schließlich erkennen; und auch unsere Herzen, wenn wir zulassen, dass sich das Wort in ihnen erfüllt.
Wahre Bekehrung bedeutet nicht, das Kreuz zu meiden, sondern es aus Liebe anzunehmen. Dort stirbt der Prophet – und das Reich Gottes wird geboren.
Praktisch
- Lesen Sie Lukas 13,31-35 jeden Freitag in der Fastenzeit.
- Benenne, was in dir sich der Wahrheit widersetzt.
- Machen Sie jede Woche einen konkreten Schritt in Richtung Versöhnung.
- Das Hören einer zeitgenössischen prophetischen Stimme (Predigt, Zeugnis).
- Führe ein Gebetbuch für die «verwundeten Städte».
- Wir bieten einen Tag für diejenigen an, die Ablehnung erfahren.
- Wiederhole jeden Abend: Gesegnet sei, der da kommt im Namen des Herrn.
Verweise
- Jerusalemer Bibel, Evangelium nach Lukas, Kapitel 13 und 19.
- Origenes, Predigten über Lukas.
- Heiliger Ambrosius, Zum Lukasevangelium.
- Bernhard von Clairvaux, Predigten zur Fastenzeit.
- Papst Franziskus, Evangelii Gaudium, §43-49.
- André Louf, Täglich umrechnen.
- Jean-Claude Sagne, Christliche Prophetie heute.



