Am 2. November 2025, als sich Gläubige weltweit zum Gebet für die Seelen der Verstorbenen versammelten, erklang die Stimme von Papst Leo XIV. aus dem Fenster des Apostolischen Palastes. Seine klaren und sanften Worte drangen über die Plätze, in die Häuser und erreichten die Herzen derer, die in diesen schweren Zeiten müde waren.
An diesem Tag erlebte die gesamte Kirche eine einzigartige Spannung: die zwischen Erinnerung und Hoffnung. Zuerst die Erinnerung an die Verstorbenen – an jene, die wir liebten, die unser Leben prägten, und an jene, an die sich niemand mehr erinnert. Dann die Hoffnung – die Hoffnung auf das ewige Leben, jenes Versprechen, das unserem Schmerz Sinn verleiht und unsere Tränen tröstet.
Vor den Tausenden von Pilgern, die sich auf dem Petersplatz versammelt hatten, rief Leo XIV. zu einer tiefgreifenden inneren Bewegung auf: sich nicht in Nostalgie zu verfangen, nicht an den Gräbern der Vergangenheit festzuhalten, sondern diesen Tag zu einem «Gedenken an die Zukunft» zu machen. Hinter diesem bewegenden Ausdruck verbarg der Papst einen spirituellen Weg: Der christliche Glaube betrauert nicht nur die Toten, er verkündet das Leben.
Er sagte mit zuversichtlicher Zurückhaltung: «Heute ist also ein Tag, der an die menschliche Erinnerung appelliert, so kostbar und zerbrechlich sie auch ist.» Diese beinahe poetische Formulierung fasst die Bedeutung des Gedenkens an die Verstorbenen treffend zusammen: Erinnerung ist kostbar, weil sie die Liebe bewahrt; sie ist zerbrechlich, weil sie vom menschlichen Herzen abhängt, das so leicht vergisst. Daher, so argumentierte er, sei es wichtig, den Horizont zu erweitern, über die familiäre Erinnerung hinauszugehen und die göttliche Erinnerung einzubeziehen – die Erinnerung an einen Gott, der, anders als Gott, niemanden vergisst.
Eine symbolische Geste: auf dem Friedhof von Verano
Am selben Nachmittag besuchte Leo XIV. den Friedhof Verano in Rom. Das Bild des Papstes, wie er langsam zwischen den Gräbern wandelte und für jene betete, deren Namen von den Steinen verblassen, verbreitete sich rasant in den katholischen sozialen Medien.
Vor den Kameras hält er einen Moment inne. Sein Blick ruht auf einem namenlosen Grab, das mit einem einfachen Holzkreuz markiert ist. Dort verstummt er. Dann sagt er: «Wir beten für jene, an die sich niemand mehr erinnert, aber unser himmlischer Vater gedenkt ihrer.»
Diese bescheidene Geste, ausgeführt ohne jegliches Protokoll, trägt eine universelle Botschaft in sich. In einer Welt, in der so viele Leben in der Anonymität verschwinden – Opfer von Kriegen, Migration und Einsamkeit –, erinnert uns Leo XIV. daran, dass der Blick des Himmels niemals verblasst.
Es ist diese Verbindung zwischen Glaube und verwundeter Menschheit, die seinem Pontifikat seine volle Bedeutung verleiht. Seine Gesten, oft entwaffnend einfach, besitzen eine symbolische Kraft: Jeder Segen, jedes Gebet wird zum greifbaren Zeichen einer Kirche, die nahbar bleiben will, die sich weigert, sich vor dem Leid der Welt abzuschotten.
Eine Erinnerung, die sich in Hoffnung verwandelt hat
Was Papst Leo XIV. als «Gedenken an die Zukunft» bezeichnet, ist beinahe erstaunlich. Wie kann man sich an etwas erinnern, das noch nicht da ist? Seine Formulierung mag provokant klingen, doch sie offenbart eine tiefe Wahrheit: Für den Gläubigen ist der Tod kein Ende, sondern ein Versprechen, das auf seine Erfüllung wartet.
In Anlehnung an die Worte Benedikts XVI. über das ewige Leben – «Eintauchen in den Ozean der unendlichen Liebe, wo die Zeit nicht mehr existiert» – unterstreicht er den paradoxen Charakter unseres Glaubens: Wir erinnern uns nicht nur an das Vergangene, sondern auch an das, was Gott vollbringen wird.
Dieser Gedanke findet in unseren säkularisierten Gesellschaften, die oft der Vergesslichkeit verfallen, besonders großen Anklang. Friedhöfe werden still, verlassen oder zu rein zweckmäßigen Orten. Der Papst aber gibt ihnen ihre tiefe Bedeutung zurück: Diese Orte sind nicht das Ende der Welt, sondern Schwellen. Sie erinnern uns daran, dass das Leben Spuren in Gottes Gedächtnis hinterlässt, dass jeder Atemzug, jedes Leid, jede gute Tat, die wir hier auf Erden erfahren, auf geheimnisvolle Weise in die Ewigkeit fortwirkt.
Das Gesicht einer Welt in der Krise
Doch Leo XIV. verharrte nicht in Kontemplation. Im selben Angelusgebet nahm seine Stimme einen düsteren Ton an. Er sprach vom Sudan, von Tansania und all jenen blutigen Ländern, in denen der Frieden zur Illusion geworden war.
Sein Gebet für die Verstorbenen gilt unmittelbar auch denen, die heute sterben – durch Bomben, Massaker oder in bitterster Armut. Es ist keine in der Liturgie erstarrte Predigt, sondern ein lebendiges Wort, das sich mit den Schreien der Welt vermischt.
Sudan, so erinnert er uns, «erlebt eine menschliche Tragödie von unerträglichem Ausmaß». Laut den Vereinten Nationen leiden mehr als 24 Millionen Menschen an Hunger. Der Bürgerkrieg, der vor über zwei Jahren begann, dauert weiter an und hält die Schwächsten gefangen. Der entsetzliche Angriff auf das El-Fasher-Geburtskrankenhaus, bei dem Hunderte Zivilisten ums Leben kamen, lastet noch immer schwer auf dem internationalen Gewissen.
Der Papst nimmt kein Blatt vor den Mund: Angesichts dieser eklatanten Verletzungen der Menschenwürde spricht er von «Schmerz», ja sogar von «Scham». Seine Worte sind unmissverständlich: «Frauen, Kinder und wehrlose Zivilisten sind die ersten Opfer einer Logik des Todes, die vor nichts Respekt hat.»
Dann forderte er in einem leidenschaftlichen Appell einen «sofortigen Waffenstillstand» und die «Öffnung humanitärer Korridore». Dies war keine abstrakte Rede: Es war ein Schrei, der Schrei eines Hirten, der sich weigerte, sich an die Barbarei zu gewöhnen.
Frieden nach Leo XIV.: keine Utopie, sondern Verantwortung
In einer Welt, die vom politischen Diskurs durchdrungen ist, klingt die Stimme des Papstes anders. Er spricht nicht von Diplomatie, sondern von Umkehr. Sein Friedensaufruf gründet sich nicht allein auf Abkommen zwischen Staaten oder internationale Institutionen, sondern auf eine Wandlung des Herzens.
Für ihn kann Frieden nur entstehen, wenn jeder den anderen als Bruder und nicht als Feind anerkennt. «Es genügt nicht, Krieg zu vermeiden», betont er oft, «wir müssen Brüderlichkeit aufbauen.»
Diese zutiefst evangelische Vision erneuert das soziale Denken der Kirche. Sie überschneidet sich mit den Appellen Johannes XXIII. in *Pacem in Terris*, Pauls VI. in *Populorum Progressio*, Johannes Pauls II. für eine Kultur des Lebens und den jüngeren Päpsten zur ganzheitlichen Ökologie. Leo XIV. führt diese Tradition fort, jedoch mit einer neuen Betonung: Das Gedenken an die Verstorbenen ist bereits ein Beitrag zum Frieden. Denn Frieden beginnt stets mit der Achtung vor dem Geheimnis des Lebens, selbst im Zustand des Erlöschens.
Ein Pontifikat, das von Mitgefühl geprägt war
Seit seiner Wahl hat sich Leo XIV. als Papst des Trostes etabliert. Seine ersten Enzykliken, die die Menschenwürde und die Wiederentdeckung des gemeinsamen Gebets in den Mittelpunkt stellten, fanden sofortige Resonanz. Er spricht oft von «missionarischer Zärtlichkeit»: einer Art, das Evangelium nicht durch Belehrungen, sondern durch Gesten der Fürsorge zu verkünden.
Sein Ton ist nie moralisierend. Er bevorzugt Gleichnisse vor Polemik, Schweigen vor Verurteilung. Viele sehen in ihm einen spirituellen Erben von Franziskus, jedoch mit einem kontemplativeren Ansatz. Wo Franziskus das Handeln betonte, lädt Leo XIV. zur Besinnung ein. Sein pastoraler Stil ist der eines inneren Führers.
Am 2. November, indem er die Erinnerung an die Vergessenen wachruft, lehrt er uns auch zur Kontemplation – unsere eigenen Toten furchtlos anzusehen und unser Leben im Lichte der Barmherzigkeit neu zu betrachten. Dies ist keine traurige Botschaft, sondern eine Botschaft der Versöhnung.
Die Verstorbenen, Lehrer des Friedens
In seiner Katechese verwendet der Papst ein eindrucksvolles Bild: Die Verstorbenen lehren uns Frieden. Sie tun dies ohne Worte, ohne Waffen, ohne Märsche oder Manifeste. Ihr Frieden ist still und doch ansteckend. Beim Besuch eines Friedhofs, so sagt er, spürt man, wie die Zeit langsamer vergeht, Spaltungen verschwinden. Dort empfängt dieselbe Erde die Demütigen und die Mächtigen, die Gläubigen und die Rebellen.
In diesem Sinne wird der Tod zu einer Schule der Gleichheit. Er erinnert uns alle an die Vergeblichkeit von Streitigkeiten, an die Zerbrechlichkeit menschlichen Ruhms. Und vor allem führt er uns zurück zum Wesentlichen: zu lieben, zu vergeben, zu hoffen.
Aus dieser Perspektive verbindet der Papst das Andenken an die Verstorbenen mit dem Engagement für die Lebenden. Für die Verstorbenen zu beten bedeutet, unsere Hände zu öffnen, um denen beizustehen, die noch leiden. Die Gemeinschaft der Heiligen ist kein ferner Gedanke: Sie verbindet unser heutiges Handeln mit den Seelen derer, die uns vorausgegangen sind.
Ein heißes Thema: Tansania
Kurz nach seinen Ausführungen zum Sudan erwähnte der Papst auch Tansania. Auch dort brachen nach umstrittenen Wahlen gewaltsame Auseinandersetzungen aus. Ethnische und politische Spannungen rissen alte Wunden wieder auf.
Ohne jemanden namentlich zu nennen, rief Leo XIV. die Menschen dazu auf, «jegliche Gewalt zu vermeiden und den Dialog zu wählen». Diese Worte, die aus seinen Lehren bekannt sind, waren nicht bloß eine Formel: Sie richteten sich an ganze Völker, aber auch an das Gewissen jedes Einzelnen.
Seine pastorale Vision kennt keine Grenzen: Während er im Vatikan für die Toten von Verano betet, trauert er auch um die Toten Afrikas. Der Zusammenhang ist klar: Der Tod Unschuldiger hat immer denselben Wert. Das Leid eines Kindes in El-Fasher oder Dodoma bewegt Gott genauso wie eine Träne, die in Rom vergossen wird.
Hoffnung, ein Gegenmittel gegen Gleichgültigkeit
Das zentrale Wort des Angelusgebets ist vielleicht Hoffnung. In einer Welt, die von Angst und Desinformation durchdrungen ist, möchte Leo XIV. die Flamme der christlichen Hoffnung neu entfachen.
Keine naive Hoffnung, sondern ein klares Vertrauen, gegründet auf den Glauben an die Auferstehung. «Die Gläubigen sind nicht Gefangene der Vergangenheit», sagt er. Der christliche Glaube, der die Erinnerung an die Trauer in Hoffnung verwandelt, ermöglicht den Frieden zwischen den Nationen.
Seine Botschaft berührt auch ökologische und soziale Fragen: Er plädiert für einen «Wandel der Erinnerung». Das heißt, sich nicht zu betrauern, sondern zu erholen. Aus der Vergangenheit zu lernen, um die Gegenwart besser zu schützen.
Jeder Krieg, jede humanitäre Krise, jeder politische Fehltritt sollte Nationen dazu veranlassen, ihre eigene Geschichte neu zu betrachten. Ohne Erinnerung, so mahnt er uns, gibt es keinen dauerhaften Frieden.
Die Liturgie als Hebel der Versöhnung
Ein prägendes Merkmal des Pontifikats von Leo XIV. war seine Nutzung der Liturgie als Raum für kollektive Heilung. Die von ihm geleiteten Totenfeiern waren keine starren Zeremonien, sondern Orte der Begegnung und des Austauschs.
Während der Verano-Messe wählte er einfache Gebete in mehreren Sprachen, die von Kinder- und Erwachsenenchören gesungen wurden. Er wiederholt gern: «Die Liturgie ist die Sprache, die Gott spricht, um sein Volk zu trösten.».
Indem die Gläubigen gemeinsam für die Verstorbenen in aller Welt beten, entdecken sie eine Einheit, die stärker ist als alle Grenzen. Dies, so glaubt er, ist das Zeichen einer Mutterkirche, die mit den Trauernden trauert und mit den Hoffenden hofft.
Eine Botschaft jenseits des Vatikans
Die Reaktionen auf das Angelusgebet waren überwiegend positiv. Christliche Würdenträger sowie Muslime und Juden begrüßten die Worte des Papstes als universellen Aufruf zu spiritueller und moralischer Verantwortung.
Friedensbotschaften wurden aus Khartum, Sansibar, Jerusalem und Buenos Aires übermittelt. Viele sehen darin einen Hoffnungsschimmer der Einigkeit in einer Zeit, in der die internationale Gemeinschaft darum ringt, eine gemeinsame Sprache zu finden.
In den Medien wird oft erwähnt, dass Leo XIV. – mit bürgerlichem Namen Luigi Conti – vor seiner Wahl selbst Diplomat des Heiligen Stuhls war. Doch er nutzte die Diplomatie nicht wie ein Politiker, sondern wandelte sie in einen pastoralen Dienst um, ein Werk der Versöhnung zwischen den Gewissen.
Von der Erinnerung zur Mission
Der 2. November 2025 wird ein Meilenstein in seiner Lehre bleiben: Er verbindet die Spiritualität des Gedenkens mit der Mission des Friedens.
Für Leo XIV. war das Gedenken an die Toten mehr als eine fromme Pflicht: Es war der erste Schritt einer gesellschaftlichen Wandlung. Durch den Besuch eines Friedhofs, so sagte er, «lernt man, die Dinge ins rechte Licht zu rücken, zu vergeben und wieder zu lieben.».
Aus dieser tiefen Erfahrung – der Begegnung mit dem Tod und der Verheißung des Lebens – erwächst der Frieden. Dies bewegt den Papst dazu, die persönliche Hoffnung mit der universalen Mission zu verbinden: zu beten, zu handeln, zu versöhnen.
«Vergessen wir nicht die Vergessenen.»
Ein wiederkehrendes Thema in seinen Reden ist das der Vergessenen. Da sind die namenlosen Toten, aber auch die Stimmlosen unter den Lebenden: Flüchtlinge, Gefangene, isolierte Alte, verlassene Kranke.
Indem Leo XIV. für «die Vergessenen» betete, erweiterte er den Rahmen des Gedenkens auf alle Ausgegrenzten der Menschheit. Er erinnerte uns daran, dass jeder Akt des Erinnerns ein Akt der Nächstenliebe ist.
Und wenn er alle dazu aufruft, Gräber hoffnungsvoll zu besuchen, lädt er sie zu einer konkreten Handlung ein: eine Kerze anzuzünden, das Vaterunser zu beten, eine Tat der Barmherzigkeit darzubringen. Dies, sagt er, seien die «Lichttropfen», die die Dunkelheit der Welt vertreiben.
Der Stil Leos XIV.
Demut, Sanftmut und Tiefgang: Diese Eigenschaften prägten sein Wirken. Leo XIV. wollte nicht beeindrucken, sondern die Menschen bewegen. Seine Art, über den Tod zu sprechen, war tröstlich, niemals morbide. Seine Verurteilung des Krieges war entschieden, aber ohne Hass.
Der Kontrast ist frappierend: auf der einen Seite der Lärm der Welt, auf der anderen das Murmeln des Gebets. Und doch ist es gerade dieses Murmeln, das nach und nach die Herzen verwandelt.
Der Papst ist zutiefst überzeugt, dass der Weltfrieden in der Stille einer versöhnten Seele beginnt. Seine Lehre vom 2. November bringt diese Überzeugung zum Ausdruck: Die Erinnerung an die Vergangenheit und der Aufbau von Frieden sind zwei Seiten desselben spirituellen Herzschlags.
Das heilende Gedächtnis
Am Ende des Angelusgebets erhob Leo XIV. die Hand zum Segen für die Menge. Wenige einfache Worte, dann ein langer Moment der Stille. Tausende beteten mit ihm, andere aus der Ferne; viele schrieben später, sie hätten an diesem Tag «einen unerwarteten Frieden» verspürt.
Und vielleicht liegt darin das Geheimnis dieses Papstes: In einer Welt in der Krise verleiht er der Stimme der Hoffnung Gehör. Er zeigt, dass die Erinnerung an die Toten, wenn sie im Glauben gelebt wird, zu einem Akt des Widerstands gegen Gewalt wird.
Laut Leo XIV. bedeutet das Gedenken an die Zukunft, schon heute die Taten des Königreichs zu vollbringen: sich zu erinnern, zu beten, zu vergeben und zu schützen.
Der 2. November 2025 wird somit nicht nur ein Tag des religiösen Gedenkens gewesen sein, sondern ein Meilenstein der gemeinsamen Hoffnung. In einer gespaltenen Welt ruft die Stimme des Papstes weiterhin: «Lasst uns die Erinnerung nicht fürchten. Durch die Erinnerung formt Gott den Frieden.»


